Bildung und Kooperation – Schlüssel zum Erfolg

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Französische Verben

Seit etwa einem Monat läuft bei uns das Junior Guides Programm. Die Idee war, ca. 10 Kinder aus unseren 5 Kooperations-Dörfern in Grundlagen von Naturschutz zu unterrichten und ihnen ein bisschen Französisch beizubringen. Auf diesem Wege würden sie ihr Wissen in ihre Dörfer tragen und eine neue Generation von Umweltbewussten Vezo bilden. Außerdem würden sie sich vielleicht mehr für Natur interessieren und irgendwann bei Honko als Eco-Guides arbeiten. Die Vezo ziehen normalerweise nicht weit weg, sondern bleiben ihr ganzes Leben in einer kleinen Region wohnen.

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Was ist ein Baum?

Das Curriculum wurde von einer ehemaligen amerikanischen Volontärin nach amerikanischem Vorbild entworfen und unterrichten würde einer unserer Eco-Guides. Bei der Auswahl der Kinder mussten wir uns aufgrund von fehlenden Transportmöglichkeiten auf Kinder der beiden am nächsten gelegenen Dörfer beschränken. Es wurden 11 Kinder aus Ambondrolava bzw. Ambotsibotsike ausgewählt, Hälfte Jungen und Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren. Als Lehrer wurde Philemon, der Präsident der lokalen Vereinigung ernannt. Soweit, so gut. Mittlerweile ist die Amerikanerin Dmitra wieder in ihrer Heimat und ich habe das Programm, zusammen mit der neuen Managerin, übernommen. Unterrichten tut weiterhin Philemon.

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Nahrungskette

Die Kinder tun sich schwer damit, Zusammenhänge zu verstehen und man muss alles zigmal wiederholen. Auch das Abschreiben von wenigen Wörtern dauert schon mal eine halbe Stunde. Am Ende des Kurses haben wir Evaluationsbögen ausgeteilt. Darauf wenige Fragen wie: Was war gut? Was war neu? Was hast du nicht verstanden? Was willst du nächstes Mal lernen? Einige Kinder antworteten in Wörtern, die nicht mal Philemon verstand, was auf fehlende Lese- und Schreibfähigkeiten schließen lässt. Von dem 6-wöchigen Kursplan hängen wir nach dem 8.Mal immer noch bei Tag 4 fest. Philemon beklagt sich beständig über das niedrige Niveau der Kinder.

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Materialien erstellen

Das klingt vielleicht alles erst einmal ziemlich schlecht. Dazu muss man wissen, dass diese Kinder allesamt, oftmals analphabetische Eltern haben. Die Väter arbeiten als Fischer und die Mütter verkaufen den Fisch auf dem Markt, oder sammeln Schilf. In unseren Kontaktbögen fehlen fast überall Telefonnummern, schlicht, weil die Eltern kein Telefon besitzen. Es gibt in den kleinen Vezo-Hütten keinen Strom.

Die Regierung kümmert sich nicht um die Bildung und darum kommt der ohnehin schon schlecht bezahlte Lehrer nur 2-mal die Woche nach Ambondrolava. Meist legen die Eltern Reis oder Geld zusammen, damit er überhaupt kommt. Der Lehrer unterrichtet Französisch, dessen er selbst nicht mächtig ist, mit alten Büchern aus Frankreich, wenn es welche gibt. Leider bringt es wenig, die Lehrer weiterzubilden, da sie sich mit ihren erlangten Erkenntnissen dann auf die Suche nach einem besser bezahlten Job begeben. Darum bringen teure Französischkurse für die Lehrer überhaupt nichts, zumindest nicht für die Kinder.

Die Schulen sind entweder so klein, dass alle Kinder in einem Raum unterrichtet werden, wie in Ambondrolava. Oder sie sind so „groß“, das verschiedene Altersgruppen zusammen in den wenigen Räumen in Schichten unterrichtet werden. Als wir letztes Mal auf das Taxi-Brousse nach Mangily warteten, haben wir das erste Mal gesehen, dass die Kinder Schule in Ambondrolava hatten. Und das in einem Zeitraum von 2 Monaten, die ich schon hier bin, und wir fahren oft Taxi-Brousse!

In Toliara gibt es zahlreiche Privatschulen, alle mit hübschen Schuluniformen und teilweise 1000 Kindern – nur Grundschule! Wenige  Eltern können sich den täglichen Transport und das Schulgeld leisten. Von unseren Fischernachbarn und ihren 2€ am Tag erst recht keiner.

Um unser Bildungsprogramm zu verbessern, haben Nikki und ich Mittwoch Reef Doctor, eine Partnerorganisation von uns besucht (20.01.2016). Sie haben mehrere, sehr erfolgreiche Bildungsprogramme. Einige richten sich an die gesamte Community, einige an die Schule und Reef Juniors haben sie auch. Der Umfang der Programme und das Budget sind allerdings wesentlich größer. Zum  einen laufen die Programme schon länger und es gibt engagierte Mitarbeiter. Zum anderen finanzieren sich die Programme aus den Beiträgen der vielen Freiwilligen bzw. einzelner Großspender. Dagegen ist Honko Junior Guidos Programm winzig. Erfolge in Ifaty, wo Reef Doctor arbeitet, sind schon sichtbar, meint die Betreuerin Rinah.

DSC00235 (680x1024)Rinah stammt aus Tana und hatte es in der Anfangszeit wohl auch schwer, von den Vezo akzeptiert zu werden, da sie aus der Hauptstadt ist und damit ebenfalls eine Vazaha, eine Fremde. Zum anderen spricht sie einen anderen Dialekt und konnte zu Beginn kein Wort der Einheimischen verstehen. Sie beschrieb uns ausführlich, wie die Reef Juniors zur Sensibilisierung der Ortsbewohner eingesetzt werden, indem sie z.B. einen Vortrag über die negativen Aspekte von Muss und Kot am Strand hielten. Die lokale Vereinigung zeigte sich beeindruckt und kreierte ein neues Dina, ein lokales Recht, was kacken und Müll ablassen am Strand verbietet. Bei Baden schwamm an uns leider doch eine menschliche Hinterlassenschaft vorbei. Viele Regelungen verlieren in Madagaskar nach kurzer Zeit ihre Härte. Im November 2015 wurden dünnwandig Plastiktüten im ganzen Land verboten aber kaum 2 Monate später bekommt man sie schon wieder überall und keiner tut etwas.

Das Reef Doctor am gleichen Tag neue Freiwillige und Praktikanten bekam, konnten wir einfach als „Neue“ mitlaufen. Zuerst ging es in die lokale Schule, um die Kinder für den Nachmittag abzuholen. Jedes der 800 Kinder der Grundschule kommt pro Jahr 4 Mal zu Reef Doctor und lernt etwas über den Schultz der Umwelt und des Riffes im 30km langen Bay oft Ranobe (rano-Wasser, be-groß). Überfischung und Zerstörung der Korallen sind dringend zu lösende Probleme. Dabei unterstützen die Praktikanten Rinah. Sie geben den Kindern z.B. die korrekte Aussprache der Begriffe auf Französisch und Englisch. Da die Kinder die Namen der Praktikanten auswendige wissen, fühlen die sich in Ifaty manchmal wie echte Stars, da hinter ihnen eine Kinderschar laut den Namen schreit.

Es war klasse, mal eine Schule in Betrieb zu sehen. Wir gingen in jeden der drei Klassenräume und wurden einzeln mit Namen vorgestellt, den die Kinder laut wiederholten. Einmal stand ich am Ende und Rinah sagte etwas wie „und (das ist) Anne!“ und 60 Kinder sagten Laut “UNDANNE”. Jetzt habe ich in Ifaty also einen neuen Namen! In einem der Klassenräume gab es nur ein paar Schulbänke und der Rest der Kinder saß auf dem Boden. Da keine 800 Kinder in die Räume passen, wird hier in Vor- und Nachmittagsschichten unterrichtet.

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Reef Doctor Schule

Wir liefen mit der Kinderschar den Strand zurück zum neuen Schulgebäude von Reef Doctor. Die Stunde bestand im Begriffe sammeln von „Was lebt in einem marinen Ökosystem?“ und „Welche Probleme entstehen durch den Menschen?“. Alles in Madagasy, Englisch und Französisch. Die Kinder wiederholten brav die Wörter, schrieben sie ab und man kann hoffen, dass etwas hängen bleibt. Anschließend spielten wir „British Bulldogg“ in der Haie-und-Fische-Version. Zwei Haie stehen in der Mitte und die Fische müssen von einer Seite zur anderen rennen. Werden sie gefangen, werden sie auch zu Haien. Gespielt wird, bis es keine Fische mehr gibt. Ach ja, gespielt wurde zwischen Dornensträuchern auf heißem Sand bei >30°C im Schatten. Dementsprechend fix und fertig waren dann alle. Die Kinder bekommen nach jedem Besuch etwas Saft (ein Tütchen Zuckerpulver auf 2l Wasser, haben wir sogar in Honko!) und dann ist der Tag vorbei.

Mal sehen, was wir von diesem Wissen einbringen können. Die Kooperation mit Reef Doctor wird Honko hoffentlich in Zukunft viel Arbeit ersparen und das Junior Guides Programm erfolgreicher machen. Eine Erkenntnis war:

1) Es gibt funktionierende Programme, man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern nur mal die anderen Fragen.

2) Der Lehrplan mit welchem in einem der Programme gearbeitet wird wurde von einem der Gründer von Honko mitentwickelt, ohne dass wir davon wussten. Es ist dementsprechend wichtig gesammeltes Wissen an neue Mitarbeiter weiterzugeben, damit sie nicht die gleichen Fehler wieder machen und jedes Mal alles neu kreieren.

3) In einem so armen en Land mit einem so kleinen Budget muss man sich starke Partner suchen, dann kann man auch mit wenig viel bewegen.