Erfahrungsbericht – Forschungssemester im Südwesten von Madagaskar bei der NGO Honko Mangrove Conservation & Education
14.11.2015 – 16.02.2016
Anne Kraft
Wenn man an Madagaskar denkt, fallen einem wahrscheinlich zuerst die flauschigen Disney-Helden aus dem gleichnamigen Film ein. Man denkt an Regenwald, Exotik, Abendteuer, oder Seefahrer („Wir lagen vor Madagaskar…“). Tatsächlich ist Madagaskar das fünft ärmste Land der Erde und die Region im Südwesten eine der trockensten überhaupt. Regenwald findet man darum keinen, dafür ein anderes einzigartiges Ökosystem: den stachligen Trockenwald mit seinen Oktopusbäumen und anderen wehrhaften endemischen Pflanzen. Da das Land eine Insel ist, zeichnet sich die Flora und Fauna durch einen geringen Artenreichtum, dafür aber einen hohen Grad an Endemismus aus. Dies bedeutet, dass man so ziemlich alle Arten nur hier finden kann, teilweise nur in Regionen von mehreren Hektar (Belalanda Chamäleon Furcifer belalandaensis).
Die Bevölkerung ist stark abhängig von den natürlichen Ressourcen und über 90% leben gerade einmal von weniger als 2 US-Dollar am Tag. In Kombination mit dem starken Bevölkerungswachstum und Migrationsbewegungen aufgrund knapper natürlicher Ressourcen, sind im Südwesten der Insel besonders die Wald- und Meeresökosysteme bedroht. Zahlreiche Hilfs- und Naturschutzorganisationen engagieren sich in der Region.
Für mich war es der erste Besuch in einem Entwicklungsland sowie in Afrika, auch wenn Madagaskar eigentlich nicht wirklich dazugehört. Das Land hat eine einzigartige Kultur, entstanden durch die ersten indonesischen Siedler, die die Sprache und die Pirogen mit sich brachten, den afrikanischen Stämmen, die die Zebus herüberholten, sowie arabischen (erste schriftliche Dokumente über die Insel, „Salama“-Guten Tag), chinesischen (Rikschas, Pousse-Pousse genannt), britischen (Ziegelbauten, brikly genannt) und französischen (langjährige Kolonialherrschaft) Einflüssen. Im Südwesten dominieren die afrikanischen Stämme der Mahafali und Vezo, Untergruppen der Sakalava. Madagaskar ist berühmt für ihre riesigen Steingräber und das zeremonielle Umbetten der Toten, welches allerdings vorwiegend im Hochland praktiziert wird.
Madagaskar ist ein Land wo sich die Weltengemeinschaft in hohem Maße engagiert, aber aufgrund von schlechter politischer Führung durch den früheren Putschpräsidenten (bis 2009) und das aktuelle Staatsoberhaupt nur im kleinen Rahmen Dinge bewegen können. Besonders unter meinem studienbedingten Schwerpunkt des Klimawandels (Master Global Change Management, 3. Semester) wird dieser Konflikt sichtbar, denn das Land selbst trägt wenig zum globalen Wandel an CO2 Emissionen bei, hat aber stark unter aktuellen Dürren, Überflutungen und verstärkten Zyklonen zu leiden.
Die Organisation Honko Mangrove Conservation & Education praktiziert modernen Naturschutz, sowie Wiederherstellung des extrem degradierten Ökosystems, indem sie sich gleichzeitig für alternative Einkommensmöglichkeiten und die Entwicklung der angrenzenden 5 Dörfer (ca. 3.900 Einwohner) einsetzt. Früher bedeutete Naturschutz, menschliche Nutzung von Ökosystemen komplett zu unterbinden, damit sich die Natur frei entfalten konnte. Heute sieht man davon ab, da man sonst den Menschen vor Ort jegliche Lebensgrundlage entzieht. Oft verfügen sie nicht über ausreichend Bildung, um in anderen Bereichen zu arbeiten oder es gibt schlechthin vor Ort keine anderen Ressourcen.
Ich engagierte mich in verschiedenen Bereichen wie alternative Existenzentwicklung, Naturschutz und Erforschung des Ökosystems, sowie Umweltbildung.
Honko hat eine Frauenvereinigung ins Leben gerufen, die in Workshops ca. 50 Frauen das Erlernen von Schilf-Flecht-Techniken ermöglicht. Sie können die produzierten Körbe, Hüte etc. zu einem wesentlich höheren Preis verkaufen, als lediglich das gesammelte Schilf. Ich erfasste erstmals alle beteiligten Frauen und erstellte einen Katalog mit ihren Produkten. Im Bereich Naturschutz und Erforschung des Ökosystems half ich beim Aufnehmen von Daten im Mangrovenwald (u.a. Überschirmungsgrad, Anzahl, Dicke und Höhe von den einzelnen Bäumen). Bei der Umweltbildung führte ich eigenständig eine neu erstelltes Programm für 11 Kinder aus dem umliegenden Dörfern weiter, plante Stunden in Anlehnung an einen neu erstellten Kurrikulum, erstellte Bildungsmaterialien und verbesserte das Programm durch einen Austausch mit einer Partnerorganisation. Das Praktikum fand größtenteils in Englisch statt, wobei der Bereich Umweltbildung in Französisch/Englisch und später auch mit einigen Brocken Málagas ablief.
Mit den Reisevorbereitungen begann ich bereits im Frühling, da ich eine ganze Liste an Impfungen benötigte und frühzeitig die Flüge buchen wollte. Vor Ort musste ich einen Beitrag für Verpflegung und Unterkunft entrichten, der direkt ins Projekt fließt und durch die Erhöhung des Stipendiums komplett von PROMOS übernommen wurde (300€/Monat, insgesamt 900€). Meine Krankenkasse (TK) übernahm zum Glück alle Impfungen und auch die benötigte Malaria-Prophylaxe für den gesamten Zeitraum. Leider ist in Madagaskar die Erstellung eines Visums über drei Monate kompliziert, darum war mein Aufenthalt dadurch beschränkt. Die Flüge waren ziemlich preisintensiv, allerdings kann man im Inland anstelle von den Flügen der sehr teuren und dabei unzuverlässigen Fluggesellschaft Air Madagaskar auch die Taxi-Brousse nutzen, was wesentlich günstiger ist. Ich würde dies allerdings eher für die Rücktour anraten, da ich nach 2 Tagen und 3 Flügen bereits ziemlich erschöpft war und keine zusätzlichen 2 Tage in einem holprigen do sehr abenteuerliches Gefährt ausgehalten hätte.
Das Team vor Ort hat mich sehr herzlich aufgenommen und ich habe mich mit den anderen Freiwilligen und Praktikanten, sowie lokalen Mitarbeitern schnell angefreundet. Neben meinem Praktikum haben wir einige Ausflüge in lokale Museen und Parks unternommen, sowie Weihnachten und Silvester zusammen gefeiert – ein echtes Erlebnis bei weit über 30°C im Schatten, direkt am Strand und dem Indischen Ozean. Nach dem ersten Monat hatten wir auch eine engere Beziehung zu den Partnerorganisationen von Honko, was vielfältigen Wissensaustausch ermöglichte, sowie gemeinschaftliche Unternehmungen an den Wochenenden.
Zusätzlich zu meinem Praktikum bekam die die Chance einen Flaschentauchkurs zu machen. Dies ermöglichte mir auf der Rücktour einen direkten Vergleich des degradierten Riffs in Madagaskar mit dem intakten Ökosystem in Mauritius. Durch intensive Lektüre von Nachrichten (promadagascar@gmail.com) und Literatur (Madagascar: The Eighth Continent von Peter Tyson) habe ich zusätzlich viel über das Land und seine Kultur und Natur gelernt.
Dieses einmalige Erlebnis hat mir geholfen, ein besseres Verständnis vom globalen Süden, sowie internationaler Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe, sowie Naturschutz vor Ort zu erlangen. Auch wenn den Umstände teils etwas abenteuerlich waren, kann ich jedem nur raten aus seiner Komfortzone zu kommen, und die Zeit während des Studiums für internationale Erfahrungen zu nutzen. Besonders den Studenten von IFEM, aber auch allen, die selbstständiges Arbeiten und Feldforschung erleben möchten, kann ich zu einem Praktikum oder Aufenthalt bei der Organisation Honko nur raten.
Wer Interesse am Land und meinen Erfahrungen vor Ort hat, kann sich gerne an mich wenden, oder sich meinen Blog (https://mudmangrovesmadagascar.wordpress.com/) durchlesen.