Erfahrungsbericht

Erfahrungsbericht – Forschungssemester im Südwesten von Madagaskar bei der NGO Honko Mangrove Conservation & Education

14.11.2015 – 16.02.2016

Anne Kraft

Original als PDF hier

Wenn man an Madagaskar denkt, fallen einem wahrscheinlich zuerst die flauschigen Disney-Helden aus dem gleichnamigen Film ein. Man denkt an Regenwald, Exotik, Abendteuer, oder Seefahrer („Wir lagen vor Madagaskar…“). Tatsächlich ist Madagaskar das fünft ärmste Land der Erde und die Region im Südwesten eine der trockensten überhaupt. Regenwald findet man darum keinen, dafür ein anderes einzigartiges Ökosystem: den stachligen Trockenwald mit seinen Oktopusbäumen und anderen wehrhaften endemischen Pflanzen. Da das Land eine Insel ist, zeichnet sich die Flora und Fauna durch einen geringen Artenreichtum, dafür aber einen hohen Grad an Endemismus aus. Dies bedeutet, dass man so ziemlich alle Arten nur hier finden kann, teilweise nur in Regionen von mehreren Hektar (Belalanda Chamäleon Furcifer belalandaensis).

Contact

Geographical situation of the project Honko Mangrove Conservation & Education as well as Toliara, the next greater town (approx.120,000 inhabit-ants).

Die Bevölkerung ist stark abhängig von den natürlichen Ressourcen und über 90% leben gerade einmal von weniger als 2 US-Dollar am Tag. In Kombination mit dem starken Bevölkerungswachstum und Migrationsbewegungen aufgrund knapper natürlicher Ressourcen, sind im Südwesten der Insel besonders die Wald- und Meeresökosysteme bedroht. Zahlreiche Hilfs- und Naturschutzorganisationen engagieren sich in der Region.

Für mich war es der erste Besuch in einem Entwicklungsland sowie in Afrika, auch wenn Madagaskar eigentlich nicht wirklich dazugehört. Das Land hat eine einzigartige Kultur, entstanden durch die ersten indonesischen Siedler, die die Sprache und die Pirogen mit sich brachten, den afrikanischen Stämmen, die die Zebus herüberholten, sowie arabischen (erste schriftliche Dokumente über die Insel, „Salama“-Guten Tag), chinesischen (Rikschas, Pousse-Pousse genannt), britischen (Ziegelbauten, brikly genannt) und französischen (langjährige Kolonialherrschaft) Einflüssen. Im Südwesten dominieren die afrikanischen Stämme der Mahafali und Vezo, Untergruppen der Sakalava. Madagaskar ist berühmt für ihre riesigen Steingräber und das zeremonielle Umbetten der Toten, welches allerdings vorwiegend im Hochland praktiziert wird.

Oktopusbäume in der Spiny Desert

Oktopusbäume in der Spiny Desert

Madagaskar ist ein Land wo sich die Weltengemeinschaft in hohem Maße engagiert, aber aufgrund von schlechter politischer Führung durch den früheren Putschpräsidenten (bis 2009) und das aktuelle Staatsoberhaupt nur im kleinen Rahmen Dinge bewegen können. Besonders unter meinem studienbedingten Schwerpunkt des Klimawandels (Master Global Change Management, 3. Semester) wird dieser Konflikt sichtbar, denn das Land selbst trägt wenig zum globalen Wandel an CO2 Emissionen bei, hat aber stark unter aktuellen Dürren, Überflutungen und verstärkten Zyklonen zu leiden.

Die Organisation Honko Mangrove Conservation & Education praktiziert modernen Naturschutz, sowie Wiederherstellung des extrem degradierten Ökosystems, indem sie sich gleichzeitig für alternative Einkommensmöglichkeiten und die Entwicklung der angrenzenden 5 Dörfer (ca. 3.900 Einwohner) einsetzt. Früher bedeutete Naturschutz, menschliche Nutzung von Ökosystemen komplett zu unterbinden, damit sich die Natur frei entfalten konnte. Heute sieht man davon ab, da man sonst den Menschen vor Ort jegliche Lebensgrundlage entzieht. Oft verfügen sie nicht über ausreichend Bildung, um in anderen Bereichen zu arbeiten oder es gibt schlechthin vor Ort keine anderen Ressourcen.

Ich engagierte mich in verschiedenen Bereichen wie alternative Existenzentwicklung, Naturschutz und Erforschung des Ökosystems, sowie Umweltbildung.

Honko hat eine Frauenvereinigung ins Leben gerufen, die in Workshops ca. 50 Frauen das Erlernen von Schilf-Flecht-Techniken ermöglicht. Sie können die produzierten Körbe, Hüte etc. zu einem wesentlich höheren Preis verkaufen, als lediglich das gesammelte Schilf. Ich erfasste erstmals alle beteiligten Frauen und erstellte einen Katalog mit ihren Produkten. Im Bereich Naturschutz und Erforschung des Ökosystems half ich beim Aufnehmen von Daten im Mangrovenwald (u.a. Überschirmungsgrad, Anzahl, Dicke und Höhe von den einzelnen Bäumen). Bei der Umweltbildung führte ich eigenständig eine neu erstelltes Programm für 11 Kinder aus dem umliegenden Dörfern weiter, plante Stunden in Anlehnung an einen neu erstellten Kurrikulum, erstellte Bildungsmaterialien und verbesserte das Programm durch einen Austausch mit einer Partnerorganisation. Das Praktikum fand größtenteils in Englisch statt, wobei der Bereich Umweltbildung in Französisch/Englisch und später auch mit einigen Brocken Málagas ablief.

Taxi-Brousse auf der RN9 bei Ambondrolava

Taxi-Brousse auf der RN9 bei Ambondrolava

Mit den Reisevorbereitungen begann ich bereits im Frühling, da ich eine ganze Liste an Impfungen benötigte und frühzeitig die Flüge buchen wollte. Vor Ort musste ich einen Beitrag für Verpflegung und Unterkunft entrichten, der direkt ins Projekt fließt und durch die Erhöhung des Stipendiums komplett von PROMOS übernommen wurde (300€/Monat, insgesamt 900€). Meine Krankenkasse (TK) übernahm zum Glück alle Impfungen und auch die benötigte Malaria-Prophylaxe für den gesamten Zeitraum. Leider ist in Madagaskar die Erstellung eines Visums über drei Monate kompliziert, darum war mein Aufenthalt dadurch beschränkt. Die Flüge waren ziemlich preisintensiv, allerdings kann man im Inland anstelle von den Flügen der sehr teuren und dabei unzuverlässigen Fluggesellschaft Air Madagaskar auch die Taxi-Brousse nutzen, was wesentlich günstiger ist. Ich würde dies allerdings eher für die Rücktour anraten, da ich nach 2 Tagen und 3 Flügen bereits ziemlich erschöpft war und keine zusätzlichen 2 Tage in einem holprigen do sehr abenteuerliches Gefährt ausgehalten hätte.

Das Team vor Ort hat mich sehr herzlich aufgenommen und ich habe mich mit den anderen Freiwilligen und Praktikanten, sowie lokalen Mitarbeitern schnell angefreundet. Neben meinem Praktikum haben wir einige Ausflüge in lokale Museen und Parks unternommen, sowie Weihnachten und Silvester zusammen gefeiert – ein echtes Erlebnis bei weit über 30°C im Schatten, direkt am Strand und dem Indischen Ozean. Nach dem ersten Monat hatten wir auch eine engere Beziehung zu den Partnerorganisationen von Honko, was vielfältigen Wissensaustausch ermöglichte, sowie gemeinschaftliche Unternehmungen an den Wochenenden.

Zusätzlich zu meinem Praktikum bekam die die Chance einen Flaschentauchkurs zu machen. Dies ermöglichte mir auf der Rücktour einen direkten Vergleich des degradierten Riffs in Madagaskar mit dem intakten Ökosystem in Mauritius. Durch intensive Lektüre von Nachrichten (promadagascar@gmail.com) und Literatur (Madagascar: The Eighth Continent von  Peter Tyson) habe ich zusätzlich viel über das Land und seine Kultur und Natur gelernt.

Dieses einmalige Erlebnis hat mir geholfen, ein besseres Verständnis vom globalen Süden, sowie internationaler Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe, sowie Naturschutz vor Ort zu erlangen. Auch wenn den Umstände teils etwas abenteuerlich waren, kann ich jedem nur raten aus seiner Komfortzone zu kommen, und  die Zeit während des Studiums für internationale Erfahrungen zu nutzen. Besonders den Studenten von IFEM, aber auch allen, die selbstständiges Arbeiten und Feldforschung erleben möchten, kann ich zu einem Praktikum oder Aufenthalt bei  der Organisation Honko nur raten.

Wer Interesse am Land und meinen Erfahrungen vor Ort hat, kann sich gerne an mich wenden, oder sich meinen Blog (https://mudmangrovesmadagascar.wordpress.com/) durchlesen.

Kinder – Die Botschafter der Mangroven

Das Junior Guides Programm hat sich während meiner Zeit in Honko ziemlich positiv entwickelt und wird ab jetzt von Nikki und der neuen Volontärin weitergeführt.

DSC00427 (680x1024)

Philémon

Dmitra hatte im November einen Lehrplan entwickelt, der ein paar Kindern aus unseren Partnerdörfern grundlegendes Umweltwissen vermitteln sollte. Im Dezember starteten wir mit Philemon, dem Präsident der Vertretung der lokalen Dörfer und Eco-Guide als Lehrer. Es gab anfangs ziemlich viele Schwierigkeiten, da dem „Lehrer“ die neuen Lehrmethoden fremd waren und über viele Sprachbarrieren hinweg kommuniziert werden musste. Dmitra war Amerikanerin mit mittleren Französisch-Kenntnissen, Philemon spricht nur Französisch und Madagasy und die Kinder nur den lokalen Madagasy Vezo-Dialekt. Der Lehrer ist niemand der irgendetwas vorbereitet, sodass jede neue Aktivität von uns während der Stunde erklärt werden musste.

DSC00408 (1024x680)

Reef Juniors: Umweltbildung bei Reef Doctor

Im Januar gingen Nikki und ich dann das Umweltbildungsprogramm von Reef Doctor, unserer Partnerorganisation ansehen. Leider war die Partnerschaft der beiden NROs etwas eingeschlafen aber mit vielen Ideen und neuem Material setzten wir so viele Verbesserungen wie möglich bei uns um. Nikki malte Plakate, ich entwarf Stundenabläufe und den ersten Test. Die Ergebnisse des Tests waren mittelmäßig, was für uns bedeutete: Die Kinder haben eindeutig was gelernt! Das Niveau unserer Schützlinge ist aufgrund der schlechten Schulbildung in Madagascar ziemlich niedrig, aber mit vielen Wiederholungen und Visualisierungen ging es dann.

In meiner letzten Stunde erklärten wir ihnen die Anpassungen der Mangroven an Salzwasser, Sauerstoffmangel und Tide. Wir machten eine Exkursion in unseren Mangrovenwald und Philemon erklärte an den einzelnen Mangroven-Arten die Pneumatophoren (Atemwurzeln) und Blattporen zur Salzexkretion. Ziemlich cool, wenn man nur ein paar Schritte laufen muss und alles Anschauungsmaterial findet, was sich ein Lehrer nur wünschen kann. Lustig war das Experiment zur Vermittlung der Funktionsweise von Pneumatophoren: Den Kopf so lange wie möglich unter Wasser halten und danach das gleiche mit einem Schnorchel wiederholen – wann kann man länger unter Wasser bleiben? Die Kinder waren erst mal etwas ängstlich, auch hatte noch nie eines von ihnen durch einen Schnorchel geatmet. Aber kely-kely (klein-klein) konnten wir sie für die Sache begeistern.

Leider musste ich der letzten Stunde krankheitsbedingt fernbleiben, bin aber gespannt wie sich die Sache entwickelt. Im Sommer bekommen unsere Junior Guides dann ihr Zertifikat und tragen hoffentlich ihr gewonnenes Wissen weiter. Vielleicht hilft es schon, wenn sie keine Fischer oder zumindest etwas nachhaltigere Fischer werden.

Honko in time-lapse

Mahafali Tomb

Mahafali tomb

Three months can be a long time, when you think about going to another country, missing birthdays of your family and best friends or trying to pack clothes etc. for that time period. When you look back, three mMahafali Tombonths can feel really short, even though you experienced a lot. These are my last days in our “mosquito infested swamp”, as a fellow volunteer often describes it. Actually, I will miss the mangroves and the people in the local villages, which have started to recognize me. Three of the other volunteers and one staff member, with whom I spend most of my time in here, already went back home. The “Honko-family” has shrunk from 7 to 4 people. For one thing it is nice, as we get a lot in contact with people from the local communities and make much use of the few Malagasy words we picked up. On the other hand, it is hard to see people leaving and then find yourself eventually in the same situation.

A lot to take in

Channel Honko

At Honko: Dune takes over channel

Looking back, I am more than grateful for all the new experiences, tons of knowledge about Madagascar (Newsletter promadagascar@gmail.com ) and the local Vezo tribe, as well as the relationships built. Originally, I came here to analyse the sustainability of the NGO Honko under the conditions of climate change, as part of my studying program. I first analysed all the ongoing projects by Honko, as well as noted their efficiency and mapped them. It still amazes me, how such a small NGO with such a tight budget can do so much and actually succeed in most of the projects. It was also interesting, to see the everyday struggles in the work in this rural environment, surrounded by some of the economically poorest people in the world. Seeing more and more of the whole picture, there are so many threats that it is hard to know where to start. 40% of the governmental budget of Madagascar vanishes every year (News Mada, 2015), and its people only plan from day to day due to a lack of education and the 5th highest poverty rates worldwide (Matin, 2015). The unique ecosystems (coral reef, mangroves and spiny forest) are highly degraded and international development aid mostly gets lost as extra expenses for government, police and bureaucracy.

Greay headed lovebird

Grey-headed lovebird

Take a single mangrove tree, you want to protect from logging, usage for charcoal or construction of housing. You cannot just build a fence around your precious mangrove tree! The surrounding ecosystem will be even more degraded and your tree might die. So try to find alternative livelihoods for the local people and do some awareness rising, so that the people stop overusing the mangroves. Unfortunately, this is not the way it works. The population in the region of Toliara increases constantly and so does the resource use. Can you prevent people from having children? No, because there is a lack of social security and no functioning health system, so people keep on getting many children.

 

Spikes of Octopus tree

Octopus tree

Furthermore, there are threats which might be caused outside the project area but could be destructive to your work. For the mangroves of Ambondrolava, it is a massive sand dune along the channel of Mozambique, which might at some point take over the main channel. This would block the water flow into the mangroves which then might die out and take the communities with them, if they do not decide to move elsewhere. Where does the sand dune from? The sand dune is caused by currents and winds along the coast which take sediments from the nearby river Fiherenana northwards. The sediments increased horrifyingly over the last decades, as the South-West experienced the highest deforestation rate throughout Madagascar. The spiny forest behind the RN9 resembles nowadays more a spiny desert, with only few octopus trees remaining. The coast in the village Tsongoritello erodes massively, and only white stumps of chopped off mangroves remain as witnesses of the massive logging. The old RN9 is already touched by the waves and the new one is built more inland. It is quite a lot to take in at first. It can make you very miserable actually!

A lot to give

So why, is Honko still there trying? Honko makes small changes which in consequence make mayor improvements. During my time here, I went monitoring in the mangroves and saw the successful replantation’s since 2008. It is amazing how the area changed over time. I explored the abandoned salt pans which are now taken over by birds and watched the kingfisher at the viewport. Only a few metres into the forest you can see so many different animals, and you know that this is worth fighting for!

Women´s Association in Belalanda

Women´s Association Belalanda

I got quite engaged with the Women´s Association, visited some of their workshops and did portraits of all 49 women. Doing an overview of all the 50 products and the catalogue for possible export overseas, it really impressed me, how much potential there actually is. The women use local plants which grow like weeds, and can generate a higher income and profit than just from selling the raw material.

Junior Guides

Junior Guides Program with Philemon

I continued the Junior Guides program which was started by a former volunteer and improved it as much as I could. The intensive cooperation and exchange with our partner organisation Reef Doctor helped a lot. Together with Nikki, I developed various educational materials from scratch. I hope in a few months’ time, when the first generation of junior guides has finished the program, they will spread the word among their communities and eventually lead to some changes in resource use and lifestyles. Maybe it is a cliché but seeing the new roof of the school in Ambotsibotsike, which my family has donated, and all the laughing children is really heart-warming.

 

With another volunteer, I started translating the complete Honko webpage in 2 more languages and hope thereby to attract more interns and volunteers, and especially tourists and sponsors, to support this hidden gem in Madagascar.

Chamelion in Honko

Chameleon at Honko

Apart from my official internship, I learned scuba diving and improved my French a bit. I tried new food (like sugar cane) and used various kinds of new transport (like the Pousse-Pousse). I think I got more self-confident in doing things for the first time in a culture, which differentiates so much from good old Germany. I did some blogging about my time in here and whomever is interested might check it out.

Thanks Honko and all the best for the future!

Bildung und Kooperation – Schlüssel zum Erfolg

Fr1_Verbs

Französische Verben

Seit etwa einem Monat läuft bei uns das Junior Guides Programm. Die Idee war, ca. 10 Kinder aus unseren 5 Kooperations-Dörfern in Grundlagen von Naturschutz zu unterrichten und ihnen ein bisschen Französisch beizubringen. Auf diesem Wege würden sie ihr Wissen in ihre Dörfer tragen und eine neue Generation von Umweltbewussten Vezo bilden. Außerdem würden sie sich vielleicht mehr für Natur interessieren und irgendwann bei Honko als Eco-Guides arbeiten. Die Vezo ziehen normalerweise nicht weit weg, sondern bleiben ihr ganzes Leben in einer kleinen Region wohnen.

Palétuvier (1024x680)

Was ist ein Baum?

Das Curriculum wurde von einer ehemaligen amerikanischen Volontärin nach amerikanischem Vorbild entworfen und unterrichten würde einer unserer Eco-Guides. Bei der Auswahl der Kinder mussten wir uns aufgrund von fehlenden Transportmöglichkeiten auf Kinder der beiden am nächsten gelegenen Dörfer beschränken. Es wurden 11 Kinder aus Ambondrolava bzw. Ambotsibotsike ausgewählt, Hälfte Jungen und Mädchen im Alter von 11 bis 14 Jahren. Als Lehrer wurde Philemon, der Präsident der lokalen Vereinigung ernannt. Soweit, so gut. Mittlerweile ist die Amerikanerin Dmitra wieder in ihrer Heimat und ich habe das Programm, zusammen mit der neuen Managerin, übernommen. Unterrichten tut weiterhin Philemon.

2_Chaine alimentaire (1024x680)

Nahrungskette

Die Kinder tun sich schwer damit, Zusammenhänge zu verstehen und man muss alles zigmal wiederholen. Auch das Abschreiben von wenigen Wörtern dauert schon mal eine halbe Stunde. Am Ende des Kurses haben wir Evaluationsbögen ausgeteilt. Darauf wenige Fragen wie: Was war gut? Was war neu? Was hast du nicht verstanden? Was willst du nächstes Mal lernen? Einige Kinder antworteten in Wörtern, die nicht mal Philemon verstand, was auf fehlende Lese- und Schreibfähigkeiten schließen lässt. Von dem 6-wöchigen Kursplan hängen wir nach dem 8.Mal immer noch bei Tag 4 fest. Philemon beklagt sich beständig über das niedrige Niveau der Kinder.

Preparing Posters (680x1024)

Materialien erstellen

Das klingt vielleicht alles erst einmal ziemlich schlecht. Dazu muss man wissen, dass diese Kinder allesamt, oftmals analphabetische Eltern haben. Die Väter arbeiten als Fischer und die Mütter verkaufen den Fisch auf dem Markt, oder sammeln Schilf. In unseren Kontaktbögen fehlen fast überall Telefonnummern, schlicht, weil die Eltern kein Telefon besitzen. Es gibt in den kleinen Vezo-Hütten keinen Strom.

Die Regierung kümmert sich nicht um die Bildung und darum kommt der ohnehin schon schlecht bezahlte Lehrer nur 2-mal die Woche nach Ambondrolava. Meist legen die Eltern Reis oder Geld zusammen, damit er überhaupt kommt. Der Lehrer unterrichtet Französisch, dessen er selbst nicht mächtig ist, mit alten Büchern aus Frankreich, wenn es welche gibt. Leider bringt es wenig, die Lehrer weiterzubilden, da sie sich mit ihren erlangten Erkenntnissen dann auf die Suche nach einem besser bezahlten Job begeben. Darum bringen teure Französischkurse für die Lehrer überhaupt nichts, zumindest nicht für die Kinder.

Die Schulen sind entweder so klein, dass alle Kinder in einem Raum unterrichtet werden, wie in Ambondrolava. Oder sie sind so „groß“, das verschiedene Altersgruppen zusammen in den wenigen Räumen in Schichten unterrichtet werden. Als wir letztes Mal auf das Taxi-Brousse nach Mangily warteten, haben wir das erste Mal gesehen, dass die Kinder Schule in Ambondrolava hatten. Und das in einem Zeitraum von 2 Monaten, die ich schon hier bin, und wir fahren oft Taxi-Brousse!

In Toliara gibt es zahlreiche Privatschulen, alle mit hübschen Schuluniformen und teilweise 1000 Kindern – nur Grundschule! Wenige  Eltern können sich den täglichen Transport und das Schulgeld leisten. Von unseren Fischernachbarn und ihren 2€ am Tag erst recht keiner.

Um unser Bildungsprogramm zu verbessern, haben Nikki und ich Mittwoch Reef Doctor, eine Partnerorganisation von uns besucht (20.01.2016). Sie haben mehrere, sehr erfolgreiche Bildungsprogramme. Einige richten sich an die gesamte Community, einige an die Schule und Reef Juniors haben sie auch. Der Umfang der Programme und das Budget sind allerdings wesentlich größer. Zum  einen laufen die Programme schon länger und es gibt engagierte Mitarbeiter. Zum anderen finanzieren sich die Programme aus den Beiträgen der vielen Freiwilligen bzw. einzelner Großspender. Dagegen ist Honko Junior Guidos Programm winzig. Erfolge in Ifaty, wo Reef Doctor arbeitet, sind schon sichtbar, meint die Betreuerin Rinah.

DSC00235 (680x1024)Rinah stammt aus Tana und hatte es in der Anfangszeit wohl auch schwer, von den Vezo akzeptiert zu werden, da sie aus der Hauptstadt ist und damit ebenfalls eine Vazaha, eine Fremde. Zum anderen spricht sie einen anderen Dialekt und konnte zu Beginn kein Wort der Einheimischen verstehen. Sie beschrieb uns ausführlich, wie die Reef Juniors zur Sensibilisierung der Ortsbewohner eingesetzt werden, indem sie z.B. einen Vortrag über die negativen Aspekte von Muss und Kot am Strand hielten. Die lokale Vereinigung zeigte sich beeindruckt und kreierte ein neues Dina, ein lokales Recht, was kacken und Müll ablassen am Strand verbietet. Bei Baden schwamm an uns leider doch eine menschliche Hinterlassenschaft vorbei. Viele Regelungen verlieren in Madagaskar nach kurzer Zeit ihre Härte. Im November 2015 wurden dünnwandig Plastiktüten im ganzen Land verboten aber kaum 2 Monate später bekommt man sie schon wieder überall und keiner tut etwas.

Das Reef Doctor am gleichen Tag neue Freiwillige und Praktikanten bekam, konnten wir einfach als „Neue“ mitlaufen. Zuerst ging es in die lokale Schule, um die Kinder für den Nachmittag abzuholen. Jedes der 800 Kinder der Grundschule kommt pro Jahr 4 Mal zu Reef Doctor und lernt etwas über den Schultz der Umwelt und des Riffes im 30km langen Bay oft Ranobe (rano-Wasser, be-groß). Überfischung und Zerstörung der Korallen sind dringend zu lösende Probleme. Dabei unterstützen die Praktikanten Rinah. Sie geben den Kindern z.B. die korrekte Aussprache der Begriffe auf Französisch und Englisch. Da die Kinder die Namen der Praktikanten auswendige wissen, fühlen die sich in Ifaty manchmal wie echte Stars, da hinter ihnen eine Kinderschar laut den Namen schreit.

Es war klasse, mal eine Schule in Betrieb zu sehen. Wir gingen in jeden der drei Klassenräume und wurden einzeln mit Namen vorgestellt, den die Kinder laut wiederholten. Einmal stand ich am Ende und Rinah sagte etwas wie „und (das ist) Anne!“ und 60 Kinder sagten Laut “UNDANNE”. Jetzt habe ich in Ifaty also einen neuen Namen! In einem der Klassenräume gab es nur ein paar Schulbänke und der Rest der Kinder saß auf dem Boden. Da keine 800 Kinder in die Räume passen, wird hier in Vor- und Nachmittagsschichten unterrichtet.

DSC00249 (1024x680)

Reef Doctor Schule

Wir liefen mit der Kinderschar den Strand zurück zum neuen Schulgebäude von Reef Doctor. Die Stunde bestand im Begriffe sammeln von „Was lebt in einem marinen Ökosystem?“ und „Welche Probleme entstehen durch den Menschen?“. Alles in Madagasy, Englisch und Französisch. Die Kinder wiederholten brav die Wörter, schrieben sie ab und man kann hoffen, dass etwas hängen bleibt. Anschließend spielten wir „British Bulldogg“ in der Haie-und-Fische-Version. Zwei Haie stehen in der Mitte und die Fische müssen von einer Seite zur anderen rennen. Werden sie gefangen, werden sie auch zu Haien. Gespielt wird, bis es keine Fische mehr gibt. Ach ja, gespielt wurde zwischen Dornensträuchern auf heißem Sand bei >30°C im Schatten. Dementsprechend fix und fertig waren dann alle. Die Kinder bekommen nach jedem Besuch etwas Saft (ein Tütchen Zuckerpulver auf 2l Wasser, haben wir sogar in Honko!) und dann ist der Tag vorbei.

Mal sehen, was wir von diesem Wissen einbringen können. Die Kooperation mit Reef Doctor wird Honko hoffentlich in Zukunft viel Arbeit ersparen und das Junior Guides Programm erfolgreicher machen. Eine Erkenntnis war:

1) Es gibt funktionierende Programme, man muss das Rad nicht neu erfinden, sondern nur mal die anderen Fragen.

2) Der Lehrplan mit welchem in einem der Programme gearbeitet wird wurde von einem der Gründer von Honko mitentwickelt, ohne dass wir davon wussten. Es ist dementsprechend wichtig gesammeltes Wissen an neue Mitarbeiter weiterzugeben, damit sie nicht die gleichen Fehler wieder machen und jedes Mal alles neu kreieren.

3) In einem so armen en Land mit einem so kleinen Budget muss man sich starke Partner suchen, dann kann man auch mit wenig viel bewegen.

Neue Projekte, neues Jahr

Weihnachtszeit

Heute war der 4. Advent (20.12.2015) – glaube ich zumindest. Wirklich etwas davon mitbekommt man hier ja nicht. In der Schilfdachkirche in Ambotskibotske sangen sie heute bestimmt Weihnachtslieder. In der Schilfdachmoschee in Ambondrolava dagegen wohl kaum. Religion findet hier eher im Verborgenen statt und lediglich kommerzielle Weihnachtsdeko in einigen Vazaha-Läden ist sichtbar. Kaum zu fassen, in 4 Tagen, bzw. für die anglophonen Volunteers in 5 Tagen ist Weihnachten!

Wir haben alle Zettel für Secret Santa gezogen und werden uns gegenseitig für 5.000 Ar eine Überraschung besorgen. Na mal schauen, was sich für 1,40€ so auftreiben lässt. Passend zu Weihnachten hat es gestern das erste Mal richtig – nein, nicht geschneit – geregnet. Damit wird, hoffentlich, die Regenzeit und weniger erfreulich, die Zeit der Cyclone eingeläutet. Ein gewisser Trost ist, das bei anhaltendem Klimawandel die Anzahl der Cyclone hier im Süden abnehmen wird, allerdings nimmt die Stärke eher zu.

Regenzeit

2013 hat ein Cyclon einigen von Honko`s Langzeitprojekten ziemlich zugesetzt.

Regenbogen und Sturm

Regenbogen und Sturm

Die Imkerei soll im neuen Jahr, evtl. zusammen mit Kooperationspartnern, wieder aufgenommen werden, allerding ist es wohl schwierig Bienenvölker zu finden, die dann auch im Kasten bleiben.

Außerdem wurde der Verkaufsladen für die Schilfkörbe der Women´s Association zerstört. Der Vannerie-Workshop in Ambondrolava findet zwar weiterhin im einsturzgefährdeten Gebäude statt, aber verkauft werden die Produkte im Center bzw. auf Märkten und vielleicht bald in Belgien, Spanien oder den USA.

Die Fischteiche für die Züchtung von Speisefischen (Tilapia) wurden auch in Mitleidenschaft gezogen und die Wasserqualität ist durch die Hitze und den fehlenden Zu- und Abfluss eh schon sub-optimal.

Viel Arbeit floss in all diese Projekte bzw. die Arbeit wird auf Sparflamme fortgesetzt. Ein ständiges Problem ist die Finanzierung, auch wenn Arbeitskraft und Materialien hier nicht viel kosten. Fast jedes Ding, das man anfasst ist kaputt oder erst gar nicht vorhanden. Die salzige Luft, die Gezeiten, die Insekten und der Wind nagen beständig an allem – bis zum Verfall.

Regierungszeit

Madagaskar an sich ist ein ziemlich marodes Land, nur notdürftig gekittet durch beständige Weltbankkredite. Seit einigen Wochen bekomme ich via Mail den Madagaskar Newsletter vom Autor des deutschen Madagaskar Reiseführers (Reise Know How, Klaus Heimer: Pro Madagascar, 102 Antananarivo, promadagascar@gmail.com, 00261 33 11 64408), der beständig die korrupte Regierung und die Missstände im Land kritisiert, sowie auf Hilfsprojekte aufmerksam macht. Zwei deutsche Touristinnen hatten diesen Reiseführer bei ihrem Besuch dabei, woraufhin wir die aktualisierten Infos an den Verlag geschickt haben. Seitdem sind wir in Kontakt.

In Deutschland hört man von Madagaskar im Prinzip nicht viel. Mein Wissen um die unfähige korrupte Politik, Exportgüter etc. hat sich mittlerweile ein bisschen erweitert. So hat Madagaskar dieses Jahr eine außerordentlich gute Litschi-Ernte gehabt und 14.000t davon gingen an Deutschland. Wer Litschis mag, kann beim Reinbeißen an mich denken – wir essen hier eine Menge davon! Die Mango-Ernte geht leider bald vorbei, aber die Vanilleernte beginnt bald. Leider findet dort so viel Kinderarbeit statt, dass die USA sogar angedroht haben, keine Vanille zu kaufen, wenn sich daran nichts ändere. [In den Saphirminen arbeiten auch eine Menge Kinder. Sie passen besser in die engen Schächte.]

Die einzige Inlandsfluglinie Air Madagaskar ist ziemlich bankrott und streicht gelegentlich Flüge, gerne auch mal am gleichen Tag, und ist meist so pünktlich wie die Deutsche Bahn. Da der hiesige Präsident sich kein eigenes Privatjet leisten kann, kapert er auch gerne mal internationale Air Madagaskarflüge, um zu seinem Wunschziel zu reisen. Viel im eigenen Land ist er jedenfalls nicht. Seit seiner Herrschaft ist das BIP stetig gesunken (jetzt bei ca. 350$/Einwohner pro Jahr), bzw. Madagaskar beim Human Development Index ziemlich abgesunken (von 148 auf 155).

In Antananarivo, der Hauptstadt, ertrinken wegen schlechten Häusern und fehlenden Unterkünften seit der Regenzeit täglich Menschen. Die Armen wohnen natürlich an den Hängen bzw. weiter unten. Im Süden des Landes macht sich der Hunger breit, während im ganzen Land die Kinder mit durch Mangelernährung dick aufgeblähten Bäuchen rumlaufen. Das sehen wir täglich bei unseren Nachbarn in Ambondrolava. Reis, Mangos und ein bisschen Grünzeug ist keine besonders ausgewogene Ernährung.

Madagaskar produziert eigenen Reis, muss aber viel aus Pakistan und anderen Ländern importieren, was natürlich die Preise treibt – also dann weniger Reis. Ein Fischer verdient mit einem guten Fang am Tag nicht vielleicht grad so 5.000Ar. Davon können natürlich keine Kinder langfristig zu Schule geschickt werden. Alles ziemlich deprimierend.

Zeit des Hoffens

Die Konsequenz ist: Warten darauf, dass die alten Machthaber sterben und Vernünftigere an die Macht kommen. Meist stammen die Politiker aus dem Stamm der Merina. Diese sind hellhäutiger, mit asiatischen Gesichtszügen und stammen ursprünglich aus Indonesien. Sie sind oft gebildeter, da wohlhabender und werden hier bei den Vezo (eher afrikanisch) auch als Vazaha angesehen. Dementsprechend ist die Auswahl an Politikern überschaubar. Bis sich etwas ändert, können lediglich Hilfsorganisationen etwas bewegen, wobei die GIZ eher für Deutschland profitable Projekte anstrebt und vieles an Bürokratie, Korruption und Mangel an Ressourcen scheitert.

Zeit des Handelns

Trotz allem hat Honko ein paar neue Projekte fürs nächste Jahr angestoßen, die Hoffnung machen. Die in den Schilfflecht-Workshops involvierten Frauen der Women´s Association sollen porträtiert werden, damit man beim Kauf eines Produktes genau sehen kann, wer es gefertigt hat und welche Familie vom Kauf profitiert. Dafür sind Dmitra und ich letzte Woche nach Belalanda, Ambondrolava und Ambotskibotske (14., 17., 18.12.2015) zu den Vannerie Workshops gefahren, haben Fragebögen ausgeteilt und ich habe Portrait-Fotos gemacht.

Umringt wurden wir jeweils von einer Schar Kinder, die begeistert auch ein Foto wollten.

Die Frauen schauten anfangs immer sehr ernst, tauten aber schnell auf. Die Analphabeten-Rate wurde durch die Fragebögen unmittelbar. Josepha, ein Madagasse unserer Organisation, übernahm dann das Schreiben und übersetzte gleich vom Vezo-Dialekt in Französisch. Zudem werde ich in den nächsten Tagen alle Produkte im Center fotografieren, um einen neuen Katalog zu erstellen. Klar, dass ich bei den ganzen Körben nicht wiederstehen konnte!

 

Dmitra hat außerdem ein Curriculum für ein Junior Guides Programm geschrieben und insgesamt 11 Kinder aus Ambondrolava und Ambotskibotske werden in den nächsten Monaten Grundlagen über das Ökosystem Mangrovewald sowie ein bisschen Französisch lernen. Die Kinder sind zwischen 10 und 14 Jahren alt, aufgrund der schlechten Schulbildung allerdings nicht so weit, wie Kinder gleichen Alters z.B. in Deutschland. Das Programm läuft bereits seit einigen Wochen und da Dmitra in ein paar Tagen nach Amerika zurückfliegt, werde ich die Stunden von da an jeden Samstag begleiten. Die Kinder sprechen nur Málagas, und da meine Kenntnisse natürlich rudimentär sind, übernimmt der Präsident vom VOI den Unterricht. Besonders gut ist er nicht, aber fähige mehrsprachige Leute zu finden, die kein horrendes Geld haben wollen und den lokalen Dialekt sprechen, ist nicht einfach. Durch den Jahreswechsel und Weihnachten wird die nächste Stunde erst wieder in ein paar Wochen sein (09.01.2016).

Junior Guides

Junior Guides

Dienstag (22.12.) wird ein neuer Volunteer eintreffen, aber obwohl wir in unserem Haus nur 4 Betten haben, ist das in Ordnung, denn Lalas – unser madagassischer Volunteer Coordinator – ist letzte Woche für einen Monat zu seiner Familien an die tropische Ostküste gefahren. Freitag (25.12.) fahren wir alle nach Mangily und über Silvester entweder nur nach Tuléar, oder in einen Ort ein bisschen weiter südlich – ich lass mich überraschen.

Die beste Überraschung zum Fest habe ich schon bekommen: Trotz widerborstigem Internet und so gut wie keiner Vorbereitungszeit (dieses Projekt musste ich einreichen), habe ich es in das Programm „Die lernende Stadt“ der MERCATOR Stiftung und des Wuppertal Instituts geschafft und werde im März 3 Wochen nach Chongqing fahren. Ich bin superaufgeregt und habe mich riesig gefreut. Viel Zeit zum Chinesisch lernen bleibt da nicht! Jedenfalls wird meine Masterarbeit mit großer Wahrscheinlichkeit im Rahmen dieses Projektes stattfinden.

Frohes Fest und guten Rutsch nach 2016!